Robert Schmidt im Interview über Keasy und die zukünftige Marktentwicklung
Mehr als jedes andere Tool digitalisiert die Familienmanagerin das Maklerbüro
Die größten Pools, der finanzstärkste Investor und die Ankündigung der nächsten Übernahme. Auch wenn sich der Markt schneller dreht als je zuvor, muss man sich auch mal von der Aufregung erholen. Und da war ich ehrlich gesagt erstaunt über die Gelassenheit meines Gesprächspartners, mit dem ich sein MVP-System betrachtete und über die zukünftige Marktentwicklung, KI und den Wunsch nach Macht philosophierte.
Wir kommen noch auf die Familienmanagerin zurück. Zunächst eine Motivation für Makler, sich aktiv mit der Automatisierung ihres Büros zu beschäftigen: „Wer in Outlook Filterregeln erstellen kann, der kann auch sein Maklerbüro digital automatisieren“. Das sagt Robert Schmidt von vfm, der als Geschäftsführer für das MVP-System Keasy verantwortlich ist. Er kennt die allzu menschliche Trägheit der Makler, sich mit dem Thema nicht zu beschäftigen. Auf meine Frage, wie Makler ab 50 die Digitalisierung meistern sollen, unterscheidet er weniger nach Alter, sondern ob jemand Unternehmer-Gene hat oder nicht. Auch 70-jährige Unternehmer streben nach Optimierung und finden Wege, diese zu erreichen.
Das MVP-System Keasy richtet sich an Makler ab 5 Mitarbeitern, da die Anwendung auf arbeitsteilige Prozesse ausgelegt ist. Keasy kann, muss aber nicht über den vfm-Verbund genutzt werden. Zwei Drittel der Nutzer kommen aus anderen Verbünden wie VEMA oder Charta. Das System ist prozessual auf die direkte Anbindung des Maklers an den Versicherer ausgerichtet.
Henning Plagemann: Herr Schmidt, in unserem MVP-Navigator kann der Makler das System Keasy in seinem fachlichen Funktionsumfang kostenlos vergleichen und bewerten. Mich interessiert jetzt besonders, wie der Makler die Automatisierung für sich umsetzen kann, ohne sich vorher zum Programmierer ausbilden lassen zu müssen. Das ist aus meiner Sicht das Hauptproblem aller MVP-Systeme außerhalb von Pool-Landschaften.
Robert Schmidt: Es braucht sicher keinen Programmierer, um Automatisierung im Maklerbüro umzusetzen. Dafür liefern wir in Keasy sehr viele vorbereitete Prozessvorlagen aus. Den Flaschenhals sehen wir weniger bei den IT-Kenntnissen als beim prozessualen Denken. Erfolgreiche Versicherungsmakler sind Vertriebler mit Leib und Seele. Sie sind am liebsten beim Kunden, pflegen ihre Kontakte und ihr Netzwerk. Allerdings haben Sie wenig Freude daran, sich mit scheinbar trockenen Themen wie der Optimierung von Büroabläufen und Prozessoptimierung zu beschäftigen. Im Gegensatz dazu gibt es auch Menschen, die den Kundenkontakt eher scheuen, sich dafür aber gerne um die Organisation im Hintergrund kümmern. Und genau solche Personen braucht es auch in jedem Unternehmen, das auf Wachstumskurs ist.
HP: Muss sich der Makler also einen eigenen MVP-Beauftragten leisten? Dann dürfte Ihre Zielgruppe eher bei Maklern ab 50 Mitarbeitern liegen.
RS: Nein, das beansprucht gar nicht so viel Arbeitszeit im Alltag. Da geht es eher um Organisationstalent und ein bisschen IT-Affinität. In manchen Maklerbüros wird das MVP nur als besseres Telefonbuch und zur Dokumentenablage genutzt. Ansonsten wird eher „freestyle“ gearbeitet und wenig dokumentiert. Da bleibt viel Potential liegen. Ich hatte vor kurzem Austausch mit einem unserer Makler – der hat vor einem halben Jahr eine Halbtagskraft eingestellt, die als dreifache Mutter sehr gut organisieren und strukturieren kann. Sie hat in der kurzen Zeit den Laden gefühlt auf den Kopf gestellt. Uns sind nur die vielen Anfragen im Support aufgefallen. Manchmal strengt ihn der Optimierungseifer seiner neuen „Innenministerin“ etwas an, aber er merkt die positiven Auswirkungen. Klare Abläufe und Prozesse bringen mehr Qualität und führen zudem zu mehr Zeit, die anderweitig besser genutzt werden kann. Das funktioniert nur, wenn sich der Inhaber nicht gegen Veränderungen wehrt, sondern diesen Prozess aktiv unterstützt.
HP: Wie muss der Innenminister vorgehen?
RS: Erstmal die bestehenden Abläufe im Büro beobachten und verstehen. Und natürlich die Möglichkeiten von keasy kennenlernen. Daraus werden die Anforderungen abgeleitet, wie man im Idealfall die Arbeitsabläufe im Büro verbessern kann und wie das MVP zukünftig bei der einheitlichen Vorgangsbearbeitung mit Automatisierung unterstützen kann.
Arbeitsteiliges Arbeiten entlastet vor allem den Berater. Für manche Vorgänge kann die Zuständigkeit ab einem bestimmten Arbeitsschritt automatisch auf den Innendienst übergehen. Dabei schaffen die Gruppen als Verantwortliche eine wichtige Flexibilität bei Urlaub, Krankheit oder wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder neue hinzukommen. In solchen Fällen kann ein Mitarbeiter einfach stellvertretend in eine Gruppe aufgenommen werden. Zukünftig bleibt nichts unbearbeitet liegen, weil der Zuständige krank geworden ist. Und viele Vorgänge wie Erinnerungsmails oder Ablage von Beitragsrechnungen können auch komplett dunkel erfolgen. Bei allen Änderungen gehört auch ein bisschen missionarischer Eifer dazu, weil Menschen dazu neigen, in gewohnte Verhaltensweisen und Vorgehensweisen zurückzufallen. Meine praktische Erfahrung ist: Maklerbüros, die diesen Knoten durchschlagen, sind nachhaltig effizienter und die Mitarbeiter haben mehr Spaß an der Arbeit, weil monotone Wiederholungsarbeiten wegfallen. Wer auf seinen „das haben wir schon immer so gemacht“-Prozessen beharrt, wird von digitalen Tools und Prozessen nicht profitieren.
HP: Warum stellen Sie dem Makler nicht solche Digitalisierungsberater zur Seite?
RS: Das tun wir im vfm-Verbund tatsächlich mit einem ganzen Team, das vor Ort Prozessoptimierung betreibt und die Unternehmen unterstützt. Aber das können wir nicht für den gesamten Markt leisten. Beim Keasy-Anwendertag zeigen wir viele Automatisierungsmöglichkeiten. Anwender tauschen sich intensiv untereinander aus und in vielen Onlineschulungen gehen wir detaillierter auf die Umsetzung ein. Zudem liefern wir eine Vielzahl praxiserprobter Dokumentenregeln, Prozessvorlagen und Inhalte, die mehrmals monatlich aktualisiert und erweitert werden. Aber wenn die Umsetzung nachhaltig gelingen soll, braucht es aus unserer Erfahrung einen, der die „Innenminister“ Rolle einnimmt. Jemand, der die Abläufe im Maklerbüro und die Menschen vor Ort kennt und Veränderungen nachhaltig durchsetzen kann. Dann ist die Arbeit im Büro mit Keasy so einfach wie Kochen mit dem Thermomix: Die Maschine führt einen Schritt für Schritt durch das Rezept und dennoch bleibt Raum für eigene Kreativität.
HP: Gefühlt haben alle das gleiche Problem, was kann die Branche dagegen tun? Was passiert, wenn wir es nicht in den Griff bekommen?
RS: Die Maklerunternehmen suchen sich zunehmend bei Pools und Verbünden entsprechende Unterstützung für ihre Digitalisierung. Und Unternehmen, die die Einführung von mehr Digitalisierung und Automatisierung nicht leisten können, kommen früher oder später an den Punkt, wo ein Zusammenschluss mit einem größeren Maklerunternehmen betriebswirtschaftlich die sinnvollste Option ist. Dies führt zwar zu einer gewissen Konzentration auf dem Markt, aber es führt auch zu einer Professionalisierung auf dem Markt der Makler. Von daher macht uns diese Entwicklung keine Sorgen. Wir haben uns darauf eingestellt und bieten den Maklern eine Bestandsbörse inklusive Rechtsberatung und Bestandsmigration an. Die Verkäufer arbeiten häufig noch viele Jahre weiter in ihrem Bestand mit – dann aber in der Rolle, die sie immer haben wollten: Als Kundenberater, der von den administrativen Tätigkeiten befreit ist.
HP: Kommen wir noch einmal auf Keasy zurück. Setzen auch Sie bereits auf künstliche Intelligenz?
RS: Künstliche Intelligenz setzen wir bei Keasy zum Beispiel bei der Klassifizierung von Scan-Dokumenten ein. Hier können gute Quoten beim Erkennen von Gesellschaft, Dokumententyp und Kunden/Vertragsdaten erreicht werden. Allerdings sehen wir einen Knackpunkt: Selbst eine Trefferquote von 95 Prozent ist für eine Dunkelverarbeitung zu wenig. Das würde heißen, dass 5% der Dokumente ungeprüft falsch verarbeitet werden. Hier setzen wir nach wie vor auf manuelle Dokumentenregeln. Dadurch können wir Dokumente wie z.B. eine Police oder eine Beitragsrechnung eindeutig als solche identifizieren und weiterverarbeiten. Auch wenn sie von den Gesellschaften zum Teil mit komplett unterschiedlichen BiPRO-Kategorien geliefert werden. Da wir Keasy auch hausintern einsetzen, haben wir mehr als 1.000 Dokumentenregeln erstellt, die wir den Anwendern ebenfalls mit bereitstellen. Der Rest ist dann Standard. Der „Innenminister“ legt einfach fest, was mit welchen Dokumenten passieren soll und kann dabei auf vorgefertigte Prozesse zurückgreifen.
HP: Kommen wir zum Schluss zur Marktpolitik. Wie schätzen Sie den Markt derzeit ein?
RS: Als die ersten Übernahmen gestartet sind, war das jedes Mal noch hoch spannend. Mittlerweile sind wir in der Branche mit regelmäßigen Käufen bei einem „neuen Normal“ angelangt. Bei hohem Investitionskapital, das im Markt verfügbar ist, werden manche Käufe aus meiner Wahrnehmung einfach wegen der strategische Marktmacht getätigt und weniger, weil es operativ Sinn macht.
HP: Und der Kauf von zeitsprung?
RS: Wir nutzen zeitsprung seit vielen Jahren als BiPRO-Dienstleister. Grundsätzlich haben wir die Technik so angedockt, dass wir den Dienstleister bei Bedarf einfach austauschen können. Aber wir stehen in gutem kollegialem Austausch zu den handelnden Personen bei blau direkt und zeitsprung und sehen derzeit keinerlei Risiko oder Handlungsbedarf aufgrund der Fusion beider Unternehmen.
Fast alle Vergleicher, Digitalisierungs- oder Infrastruktur-Dienstleister, mit denen wir zusammenarbeiten, wurden in den vergangenen 5 Jahren aufgekauft oder sind mit anderen Unternehmen fusioniert. In den allermeisten Fällen hatte dies keine negativen Auswirkungen. Insofern sehe ich das Kaufgeschehen relativ gelassen.